Denn bei dir ist die Quelle
des Lebens, und in deinem
Licht sehen wir das Licht.
Psalm 36, 10
Nach 4 Jahren Flucht angekommen – Bericht über die Arbeit von Brück hilft
Rainer Marschel von der AG Öffentlichkeit bei „Brück hilft“ hat folgenden Bericht geschrieben:
Palästinensische Syrer des Lobes voll über ihre temporäre Aufnahme in Brück
Berlin/Brück. Die Geschichte der Flucht der Darags beginnt genau genommen schon 2012. Aber selbst da war es schon eine Weile her, dass ihre Welt nahe der Grenze zu Palästina noch heile war. Er gelernter Maschinenbauer, sie Mathematik- beziehungsweise Physik- und zuletzt Schulleiterin. Auto, Haus und Motoroller – für die Darags seit Jahren liebgewordene Annehmlichkeiten in Syrien. Übrig geblieben ist von alldem nichts mehr – ausgenommen das eigene Überleben und ein riesiger Trümmerhaufen, wo man einst lebte. Der Vater seiner insgesamt 4 Töchter ist noch immer in Syrien und wartet jetzt auf sein Visum. Insofern ist die Odyssee noch nicht ganz beendet. Seit Monaten müssen der palästinensischen Syrerfamilie ein paar Telefonate, Mails und Handyfotos reichen – bloß, um sich gegenseitig Mut und Geduld zuzusprechen.
Insgesamt kostet die jahrelange Flucht von Mutter Hala Darag (48) und zwei ihrer beiden Töchter Oula und Ciba Naeme 10.000 Euro. Eine Summe, die zunächst noch nichts über die teils lebensgefährlichen, teils katastrophalen Umstände ihrer Reise ins Ungewisse aussagt. 10.000 Euro, jede Menge Schutzengel und wahrscheinlich reichlich günstige Zufälle, die das Überleben sichern. In dem Geld noch nicht mit eingerechnet ist die separate Flucht der dritten Tochter. Sie strandete in Rostock. Die Vierte ist in Österreich verheiratet. Eine Großmutter lebt in Stockholm.
Als die ersten Granatsplitter das Gesicht der im Wohnzimmer sitzenden Oula nur um Haaresbreite verfehlen, ist klar, dass man keinesfalls länger in Syrien bleiben kann. Die erste Station ihrer Flucht ist für sieben Monate der Libanon. Danach geht es über die Türkei nach Griechenland. Was folgt, ist der damals noch übliche Weg entlang der Balkanroute. Natürlich ist man auch auf einem eher seeuntüchtigen Boot zusammengepfercht und steht über Stunden Todesängste aus. Aber beinahe noch schlimmer sind die zwei Tage und Nächte auf einem geschlossenen LKW. In welchem Land das eigentlich ist, können die Darags jetzt nicht mal mehr nachvollziehen. Klar ist lediglich, dass dieser Fluchtweg heutzutage spätestens in Idomeni oder auf Lesbos geendet hätte, weil Europa die Schotten dicht gemacht hat. So aber landen die drei syrischen Frauen im Sommer letzten Jahres in der Eisenhüttenstädter ZAST. Doch der 27. August 2015 hat sich allen ins Gedächtnis eingebrannt. Es ist der Tag ihrer Ankunft im Brücker Übergangswohnheim.
„Mein Helfersyndrom als Krankenschwester lässt mich lebenslang nicht mehr los“
Dass sich die Syrer hier erstmals in Deutschland willkommen fühlen, hat einen simplen Grund. Im Fläming stoßen sie nicht zufällig auf Sigrid Klink von „Brück hilft“. Die Gefahr, dass die Darags mit dieser rührigen und ursprünglich aus Süddeutschland stammenden Frau weniger deutsch als vielmehr bayerisch lernen, ist offenbar zu vernachlässigen. Seit zig Monaten hat die Lintherin eine Patenschaft über diese Syrer übernommen – es ist nur eine von weiteren. Ständige gegenseitige Besuche und echte Lebenshilfe beim Einkaufen, bei Behörden oder im Dialog mit dem Arzt sind die Erklärung für eine sichtlich innig und zutiefst herzliche Beziehung, Klink: „Ich bin Krankenschwester von Beruf und das damit verbundene Helfersyndrom lässt mich wohl lebenslang nicht mehr los.“ Sie ist schon als Kind mit vielen Nationalitäten groß geworden. Gerade deshalb empfinde sie es als außerordentlich spannend das jetzt unter gänzlich anderen Vorzeichen wieder erleben zu können. „Brück hilft“ wolle nicht nur Spenden verteilen, sondern echte Lebenshilfe geben. So seien es ja hunderte Dinge, die für die Neuankömmlinge in kürzester Zeit zu erlernen sind – vor allem, aber nicht nur das Erlernen der deutschen Sprache. Das mag für Kinder vergleichsweise einfach sein, für Erwachsene keinesfalls. Sigrid Klink: „Natürlich gibt es auch bei und in Linthe oder in Brück Vorbehalte und stereotype Vorurteile. Ich erwarte ja auch gar nicht, dass sich alle so, wie wir ehrenamtlich engagieren. Aber ein bisschen mehr Neugierde und Aufgeschlossenheit wäre schon wichtig. Es gibt etliche gute Beispiele, wie bei der AWO, wo das gut funktioniert hat.“
Da die Wohnungssuche in Brück weitgehend aussichtslos schien, suchten die Darags in Berlin. Oula will ohnehin Informatik studieren. Aber auch deren jüngere Schwester plant, das Abi zu machen und würde gern Ärztin werden. Seit dem 13. März hat die kleine Familie in einem Hinterhaus im Wedding eine neue Bleibe gefunden. Es fehlt noch eine Menge, aber mit Kühlschrank, Herd und Waschmaschine gibt es das Wichtigste bereits. Als Sigrid Klink zur Tür reinkommt wird sie stürmisch begrüßt und gar nicht mehr losgelassen. Dieses Mal bringt die Lintherin einen Fernseher mit. Immer, wenn beim arabischen Essen später der Name „Brück“ fällt leuchten bei den Mädchen die Augen. Sie löchern ihren Besuch mit Fragen, wie es demjenigen oder anderen geht. Die Kleinstadt im Fläming scheint sich tief in ihr Herz eingebrannt zu haben.
Nach vierjähriger Flucht angekommen in Deutschland – Ende einer jahrelangen Odyssee quer über einen ganzen Kontinent. Geblieben sind die Erinnerungen an ihr geschundenes Land und eine gehörige Portion Heimweh. Das sind dann auch jene Momente, da man mit den deutschen Freunden schon mal gemeinsam weint.
Das Bild zeigt: In ihrer neuen Wohnung im Berliner Wedding wird nicht für die Kamera posiert. Längst ist eine tiefe gegenseitige Freundschaft entstanden und die Einladung zum arabischen Essen mit Spinat, Nudeln und Fladenbrot eine Selbstverständlichkeit. Hala Darag mit zweien ihrer vier Töchter Ciba Naeme (2.v.l.) sowie Oula Naeme (r.). Dritte von links ist Sigrid Klink aus Linthe/AG Patenschaften bei „Brück hilft“